Höllenblume by Alper Canigüz

Höllenblume by Alper Canigüz

Autor:Alper Canigüz [Canigüz, Alper]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Binooki
veröffentlicht: 2015-10-06T16:00:00+00:00


8. alte freunde, neue feinde

Hatice Abla brachte mich abends nach Hause und verschwieg meiner Mutter tatsächlich, was mir tagsüber unglückseligerweise passiert war. Vielleicht respektierte sie meine Wünsche, vielleicht fürchtete sie auch, es könnte herauskommen, dass das Kind, das man ihr anvertraut hatte, beinahe in die ewigen Jagdgründe eingegangen wäre. Nun, der Grund war egal – Hauptsache, meine Mutter konnte deswegen nicht herumzetern.

Das Erste, was mir auffiel, als ich mein trautes Heim betrat, war die perfekt gedeckte Raki-Tafel im Wohnzimmer.

»Was gibt’s?«, fragte ich meine Mutter. »Geben wir ein Festmahl?«

»Die Freunde von deinem Vater und deinem Onkel kommen«, murrte meine Mutter.

»Um ihr Beileid auszusprechen?«

»Ob es ein Beileidsbesuch ist oder ob sie sich einen hinter die Binde kippen wollen, weiß Gott allein.«

Die Angelegenheit passte ihr gar nicht, doch als gute Ehefrau hatte sie mit Rücksicht auf die noch frische Trauer ihres Mannes alle Vorbereitungen für unsere Gäste getroffen. Ich konnte mir die Mannschaft ungefähr vorstellen, und soweit ich sie kannte, waren die Zweifel meiner Mutter nicht ganz unberechtigt. Die Lebensphilosophie der besagten Freunde ließ sich wie folgt auf den Punkt bringen: Lasst euch nicht lumpen, hoch mit den Humpen!

»Wo ist Papa?«

»Er ist heute Morgen nach Beşiktaş gefahren. Bestimmt kreuzt er gleich mit diesen Strolchen auf«, antwortete sie und pflanzte sich in den Sessel vor dem Fernseher. Sie sah sich einen Film an. Das war schon seltsam, denn ihr Interesse am Kino konzentrierte sich weniger auf die Filme als vielmehr auf das Privatleben der Schauspieler. Wie es aussah, lagen Mutterns Nerven blank. Besser nicht auf Konfrontationskurs gehen, lautete meine Devise. Ich streckte mich auf dem Sofa aus und sah mir mit ihr gemeinsam den Film an, einen alten türkischen Streifen. Ein typisches Melodrama über die Liebesgeschichte zwischen einem mittellosen jungen Mann und einem reichen Mädchen und allerlei Intrigen wie Bestechung, Erpressung und Verleumdung, die die Familie des Mädchens anzettelt, um die beiden auseinanderzubringen, was aber letzten Endes trotz jeder Menge Blessuren nicht fruchtet.

Mit tränenfeuchten Augen beteiligte sich meine Mutter hin und wieder am Filmgeschehen mit Wünschen und Vorschlägen Marke zur Hölle soll er fahren, der Schlag soll ihn treffen, verhungern soll er … Auf den ersten Blick war daran nichts Befremdliches, denn genau diesen Effekt will man mit derlei Filmen ja erzielen. Nach einer Weile musste ich allerdings verwundert feststellen, dass es der »Gute« war, den meine Mutter derart verfluchte. Der reiche, hinterhältige Fabrikant mit Einstecktuch stellte dem jungen Burschen einen wer weiß wie hohen Scheck aus, damit er die Finger von seiner Tochter ließe, und meine Mutter wetterte gegen den jugendlichen Helden, der dem Alten den Scheck ins Gesicht schmiss. Meine Mutter tat das übrigens nicht um des Meckerns willen. Sie war wirklich völlig verrückt. Meine Mutter unterstützte den Mann, den sogar zuschauende reiche, hinterhältige Fabrikanten mit Einstecktuch hassten. Verstand sie den Film falsch oder wusste sie, dass auch in diesen Geschichten Liebe nicht satt machte, oder hatte sie ein unerschütterliches Vertrauen in wohlhabende, mächtige Männer? Oder in solche mit Einstecktüchern? Alles Fragen, die uns Normalsterbliche überfordern. Eines wusste ich sicher: Hätte Aristoteles



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